Sonntag, 13. April 2014

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hoerde. sieht aus, als würde das mit dem phoenixsee funktionieren. hm.

hoerde hat eine der wenigen richtigen buchhandlungen im ruhrgebiet: transfer.

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"...sieht aus, als würde das mit dem phoenixsee funktionieren..."
Ja, solange noch alles frisch aussieht und noch nicht ganz so viele Kaugummis auf dem neuen Pflaster kleben. (Letzteres ist wohl stark in Mode; Gelsenkirchen wird ja sukzessive mit dem gleichen Zeugs ausgelegt.)

Generell ist festzustellen: Moderne und Postmoderne altern schlecht. Während eine detailreiche Gründerzeitfassade auch verschmutzt und bemoost noch Charme und Charakter wahrt, sieht glatte Betonkantenarchitektur schon nach der ersten klimabedingten Angrauung otzig aus. Was bei der ersten als Patina wahrgenommen wird, ist bei der zweiten Verfall.

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hatte ich nicht ästhetisch gemeint, sondern bezogen auf das ambitionierte stadtumbauprogramm dort: etablierung von freizeitnutzung und schaffung von mittlerem und gehobenem wohnraum. das könnte klappen. ob mir das gefällt, ist was anderes.
zu dem projekt gehört auch die aufhübschung und neunutzung von phoenix west und die aufwertung des hoerder zentrums. da ist ein erfolg noch nicht so deutlich.

"der moderne" generell unfähigkeit zum altern in würde und überhaupt ästhetische qualität abzusprechen ("betonkantenarchitektur"), ist aber wie alle pauschalurteile leicht angreifbar. nur ein paar hinweise (ich bin ja kein fachmann für sowas.):
- im gegensatz zu den heute häufigen ausschließlich renditeorientierten institutionellen bauherren dürften die kleinbürgerlichen und bürgerlichen hausbauer der gründerzeit wesentlich mehr gewicht auf dauerhaftigkeit (man baute für generationen) und vor allem repräsentation gehabt haben. schon allein die vor einfache ziegelbauten wie theaterkulissen geklebten fassaden zeigen das.
- in den über hundert jahren seither werden vor allem die wertigeren gebäude der gründerzeit überdauert haben, solche, an denen irgendjemand noch etwas lag. die reinen nutzbauten oder die billig hergestellten arbeiterquartiere sind verschwunden, oder werden ignoriert, oder, vor allem wenn sie werkssiedlungen im heimatschutzstil sind, verklärt als wohn- und sozialparadies.
- um die alterungsfähigkeit moderner gebäude im großen umfang zu beurteilen, sollte man vielleicht noch ein paar jahrzehnte warten. wenn sie bis dahin nicht rentableren, effektiveren neubauten gewichen sind. das geht heute schnell. "würdevolles altern" ist nicht das einzige kriterium zur beurteilung von architektur.
- es gibt moderne gebäude nicht nur mit sichtbetonfassaden. kucken sie sich mal den eiermann-bau in essen (schräg gegenüber der ehemaligen gauleitung) an. da gewinnt eiermann. (nur so ein beispiel.)
- gründerzeitbauten müssen nicht notwendig beim altern charme und charakter bewahren. gehen sie mal durch die bochumer straße.
- auch betonfassaden können "schön" (was ist das?) altern, mit ein wenig pflege.
- was ich sagen will: man darf beim bewerten von architektur nicht von den umständen ihrer entstehung, von ihrer funktion, von den technischen möglichkeiten usw. absehen. und nicht nicht von der gesellschaft, in der sie errichtet werden.
- nicht zu vergessen: die 'großen' vertreter einer architektur, die in würde altern sollte, tausend jahre und mehr, und die in gestaltung und baumaterial sehr darauf achteten, waren die herren speer und troost. leider bauten sie bombastischen kitsch, und die zeitläufte kamen ihnen auch in die quere.

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Oh, jüngerer Architektur generell Qualität abzusprechen, lag mir völlig fern. Natürlich haben Architekten ab der Nachkriegszeit unter anderem auch viel Gutes gebaut, bei einer recht verbreiteten rein nostalgischen Betrachtungsweise wird das oft übersehen, bzw. teilweise hat sich das auch schon gewandelt. Auch wollte ich keinen Diskurs über die Qualität von Architektur eröffnen, oder hier gar "Altern in Würde" als einziges Beurteilungskriterium hinstellen, wobei dessen Bedeutung wiederrum auch nicht vernachlässigt werden sollte. Was ich wollte war vielmehr, auf einen ganz simplen Sachverhalt hinzuweisen.

Architektur klassischen Gepräges, das heißt in vielen Fällen detailiert verziert, optisch aufgebauscht und oft durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Elementen proportioniert, ist auch dann noch pittoresque und "erzählerisch", wenn bereits der Putz abblättert, alle Fenster zerschlagen sind und Moos die Wände hochwächst. Eine heruntergekommene Gründerzeitfassade bietet dem Auge noch immer etwas, und sei es nur ein Bild von Melancholie, das einen romantisch veranlagten Fotografen auf den Auslöser drücken lässt. Das aber gilt durchaus auch für die Bochumer Straße, die deutschlandweit vielleicht bekannteste Straße von Gelsenkirchen.

Der erwähnte Essener Eiermann-Bau dagegen ist, so proper wie er nun da steht, natürlich auch eine Nummer, ein Bau mit klarem Charakter, von den Ideen seiner Zeit erzählend. Aber man stelle sich nun mal vor, das Haus würde seit 20 Jahren nicht mehr gepflegt, manche Scheibe sei kaputt und die Wand-Kacheln zur Hälfte abgefallen. Es wäre ein recht trister, unerquicklicher Anblick, die mechanische Strenge des Baus würde nicht mehr beeindrucken, sondern abschrecken. Der jetzige Nimbus wäre dahin, denn der funktioniert halt nur, wenn an der großen glatten Fassade keine Kachel fehlt.

In Hinsicht auf die Architektur und Platzgestaltung am Phönix-See frage ich mich dahingehend kritisch betrachtend, wie wohl die Halbwertszeit der dortigen neuen Gestaltungen einzuschätzen ist. Klar, jetzt sieht das alles frisch und modern aus, strahlend weißer Putz an schwarzem Fensterprofil und leuchtend roter Stützsäule. Was aber, wenn der Putz einst nicht mehr so strahlt und die rote Säule schon lange nicht mehr nachgestrichen wurde? Was, wenn im akurat verlegten Pflaster immer mehr Bruch auftritt und sich über abgesackten Stellen Pfützen bilden? Was, wenn in der Reihung der schlanken Leuchtkörper mal einer schief steht oder fehlt? Wird dann noch immer radelndes Volk dort in der Sonne sitzen, oder macht man eines Tages einen Bogen um dieses Viertel? Denn wird diese Architektur auch dann noch aus sich heraus wirken und leben??????

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ich will das jetzt auch nicht ausdehnen hier. aber paar sätze noch:
unansehnliche gründerzeitbauten gibt es auch. "pitoreskes" positiv zu empfinden, ist das nicht auch geschmacklich/ideologisch grundiert? wenn mich auf der bochumer aus toreinfahrten und kellerlöchern modergeruch anweht, und ich weiss, dass da menschen drin wohnen, ist das nicht lustig.
auch neuere architektur kann im verfall schönheit entwickeln, die vielen fotos von urban oder industrial decay usw. liefern dazu material genug, auch "erzählerisches".

der pflegezustand eines gebäudes spielt natürlich eine rolle. dass moderne häuser vorrangig unter renditegesichtspunkten für bestimmte zeiträume und zwecke gebaut werden, ist ja nix neues. der "erfolg" der hoerder seekante wird m.e. nicht vom vergammeln der fassaden bestimmt, sondern von sozialstrukturen. gelingt es den investoren, genug zahlende nutzer an ihre gebäude zu binden, werden die auch (massen)geschmackskompatibel gepflegt.
sonst baut man was neues oder garnix oder woanders.
industriebau ist da bezeichnend: zollverein 12 ist seinerzeit für eine nutzungsdauer von ca. 70 jahren konzipiert worden, mäßige pflege eingerechnet. genau das haben die gebäude geleistet. sie sehen auch heute noch passabel aus, weil sie kaum noch originale bausubstanz enthalten. alles neu "renoviert". (die alterung des sanaa-würfels kann ich mir übrigens ganz hübsch vorstellen.)
so funktioniert das im kapitalismus überall, ich kann da nix schlimmes drin finden. nur unter ganz anderen gesichtspunkten womöglich.

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